Bogenfachwerkbrücke am AK Fürth - Erlangen
Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2020
Auszeichnung
Text von Ingenieurbüro GRASSL GmbH
Beitrag zur Formenvielfalt im heutigen Brückenbau durch unverwechselbare Gestalt und Einbindung in die Umgebung
Die Bogenfachwerkbrücke, welche sich im Spannungsfeld des ausgebauten Kreuzes Fürth-Erlangen
befindet ist von weiteren Ingenieurbauwerken umgeben und auf beiden Seiten eingebettet in
Gabionenwände. Neben den klassischen Plattenbalkenbrücken der Kreuzungsbauwerke mit
Mittelunterstützungen fallen im Umfeld verschiedene Bogenbrücken als Landmarken auf. In dieser
Umgebung setzt das Bauwerk durch seine besondere Gestaltung in Form des weit und flach
gespannten Bogenfachwerks einen neuen Akzent und fügt sich dennoch als weiteres Mitglied
harmonisch in die bestehende Familie der Bogenbrücken ein.
Die Widerlager wurden so in die Gabionenwände integriert, dass sie nicht als Fremdkörper
hervortreten, sondern sich dezent absetzen und die Abgrenzung der Brücke gegenüber den
Lärmschutzeinrichtungen ermöglichen. Die Ausrichtung der Widerlagerwände auf die Trassierung der
Autobahn schafft maximale Transparenz und klare Ansichtsflächen. Durch die zentrische Anordnung
des Bogens oberhalb der Autobahn wird eine optimale Fernwirkung erzielt.
Die neue Bogenfachwerkbrücke überspannt stützenfrei sieben Fahrspuren, einen Standstreifen und
drei Abbiegespuren sowie drei Mittelstreifen der Bundesautobahn A3. Die stützenfreie
Überbrückung dieser großen lichten Weite stellt insbesondere durch die tief verlaufende Gradiente
der Staatstraße und die dadurch nur sehr geringe zur Verfügung stehenden Bauhöhe eine große
Herausforderung dar. Durch seine Lage an der Abschnittsgrenze soll das Überführungsbauwerk die
Rolle des Auftaktbauwerks für den neuen Ausbauabschnitt bestmöglich erfüllen. Diese
Anforderungen werden durch das gewählte Bogenfachwerk-System optimal erfüllt.
Durch die Wahl eines integralen Brückenbauwerks mit dem Verzicht auf Raumfugen und auf damit
verbundene Verschleißteile konnte die Dauerhaftigkeit maximiert werden. Die außenliegenden, nach
oben und unten aufgelösten Hauptträger bestehen aus einem Bogenfachwerk, bei dem die flach
gespannten Bögen zum einen die Funktion der Fachwerkobergurte im Zentrum und zum anderen die
Funktion der Sprengwerke im Bereich der Widerlager übernehmen. Die außenliegenden
Versteifungsträger der Fahrbahn überschneiden sich mit den Bögen und bilden im Zentrum die
Fachwerkuntergurte und an den Widerlagern gemeinsam mit den Bögen die Sprengwerke. Diese
beiden außenliegenden Haupttragglieder werden durch Querträger und eine mit den Quer- und den
Versteifungsträgern im Verbund wirkende Fahrbahnplatte ausgesteift. Der Stahlüberbau ist an den
Widerlagern monolithisch verbunden. Die Bögen sind in Querrichtung oberhalb der Fahrbahn nach
innen geneigt, während die Neigung der Bögen unterhalb der Fahrbahn gegenläufig wiederum nach
innen geneigt ist. Diese Neigung setzt sich in den Außenstegen fort, so dass der Neigungswechsel auf
Niveau der Schwerachse der kastenförmigen Versteifungsträger erfolgt. Die gegenläufig geneigten
Stegblechbereiche reflektieren das Licht auf unterschiedliche Weise und verstärken somit die
wahrgenommene Schlankheit der Versteifungsträger. Durch die Gegenneigung der Bögen unterhalb
der Fahrbahn kann die Breite der Widerlager auf ein Minimum reduziert werden. Die Auswirkungen
dieser Neigungen auf die Statik wurden betrachtet und sind als untergeordnet und unwesentlich
einzustufen.
Der Entwurf ging aus einem vorgeschalteten Realisierungswettbewerb im Rahmen eines VgV
Verfahrens als Sieger hervor.
Innovative Verknüpfung klassischer Bogen- und Fachwerkbrücken
Die geometrischen Randbedingungen des Autobahnkreuzes mit Mittelstreifenüberfahrt im
Bauwerksbereich und Anzahl der vorhandenen Spuren erfordern eine stützenfreie Überspannung
von knapp 70 m. Die Gradiente der überführten Staatsstraße St 2242 bewirkt in Verbindung mit den
erforderlichen Lichtraumprofilen der Autobahn eine sehr geringe mögliche Bauhöhe. Hieraus ergibt
sich die Wahl eines sowohl nach oben, als auch nach unten aufgelösten Tragwerks.
Klassische Stabbögen mit Lagern an den Widerlagern benötigen für die erforderliche Steifigkeit und
Robustheit ein Verhältnis zwischen der Stützweite und der Höhe des Bogenscheitels von in der Regel
L/5. Hieraus würde im vorliegenden Fall einer Stützweite von 70 m eine Scheitelhöhe von 14 m
resultieren. Durch Weiterführung des Bogens unter der Fahrbahn zusammen mit der Einspannung
der Längsträger und Bögen in die Widerlager kann die Scheitelhöhe über der Fahrbahn bereits
erheblich reduziert werden und der vorhandene Freiraum zwischen Widerlagervorderkanten und
Lichtraumprofilen optisch genutzt werden. Hierdurch ist eine Reduktion der Scheitelhöhe auf ca.
12 m möglich. Zudem kann auf Lager vollständig verzichtet werden und die Übergangskonstruktionen
reduziert werden. Eine weitere Reduzierung der Scheitelhöhe oberhalb der Fahrbahn ermöglichte die
innovative Verknüpfung eines klassischen Stabbogenbrückensystems mit der Robustheit und
Steifigkeit eines Fachwerks. Anstelle von weichen Hängern, welche nur Zugkräfte aufnehmen,
werden Fachwerkdiagonalen vorgesehen. Diese können neben Zugkräften auch Druckkräfte
aufnehmen und versteifen die Bogentragwerke durch die Fachwerkgeometrie deutlich. Hierdurch
wird eine weitere Reduktion der Scheitelhöhe auf lediglich 5,50 m über Gradiente möglich. Somit
spannt der Bogen äußerst flach über die Autobahn. Dies entspricht einer Schlankheit von 1/8. Ein
solches nach oben und unten aufgelöstes Bogenfachwerk wurde in dieser konsequenten Ausführung
für eine Straßenbrücke weltweit erstmalig erfolgreich umgesetzt.
Zur Optimierung des Tragwerks wurden moderne Berechnungsmethoden angewandt und FEFaltwerkmodelle
für die maßgebenden Detailpunkte erstellt. Hiermit konnte das Tragverhalten
äußerst realitätsnah modelliert, die Details konstruktiv optimiert und der Materialverbrauch
wirtschaftlich gestaltet werden.
Im Rahmen der Tragwerksplanung wurden zudem bereits die Ansätze der RE- ING für integrale
Bauwerke angewendet, obgleich dieser Teil der Norm erst nach Beginn der Planung eingeführt
wurde. Die Berücksichtigung normativer Neuregelungen direkt von Projektbeginn hat die
Bearbeitung zielgerichtet gestaltet und es waren keine zeitaufwendigen Überarbeitungen
erforderlich.
Nachhaltigkeit durch dauerhaftes und robustes Bauwerk
Neben der besonderen Gestaltung und innovativen Lösungsansätzen wurde ein besonderes
Augenmerk auf die Dauerhaftigkeit und ein robustes Bauwerk gelegt. Die Nachhaltigkeit wird zum
einen dadurch vergrößert, dass das Bauwerk als integrales Tragwerk keine Lager aufweist, und zum
anderen keine Übergangskonstruktionen mit großen Verschiebewegen erforderlich sind. Zur
Überbrückung von Bewegungen der Widerlager gegenüber der Hinterfüllung ist eine Schleppplatte
gemäß RE-ING Teil 2, Abschnitt 5 Typ III mit gleitender Lagerung und Anordnung einer Übe 1 mit
einem Dichtprofil zwischen Widerlager und Schleppplatte vorgesehen. Dies Art der Ausführung wird
bei Rahmenbauwerken mit hohen Verschiebungen am Bauwerksende erforderlich. Durch die hier
vorhandene Stützweite von 72,2 m ist das Bauwerk in die Schwierigkeitsklasse 4 einzustufen. In
dieser Schwierigkeitsklasse werden erhöhte Anforderungen an die Bearbeitungstiefe der Planung
gestellt. Durch eine zielgerichtete Berücksichtigung von Beginn an, wurden diese Auflagen
vollumfänglich erfüllt und standen einer gelungenen Ausführung nicht im Wege.
Des Weiteren wurde eine Bordsteinlinienentwässerung vorgesehen. Dieses Entwässerungssystem
sammelt das Oberflächenwasser direkt im Bordstein und führt es zu den Widerlagern und dort in
Fallleitungen nach unten ab. Somit sind keine Durchdringungen der Abdichtung erforderlich, welche
stets Schwachstellen darstellen und Tausalze in die Konstruktion eindringen lassen können. Für den
Einsatz dieser innovativen Lösung ist derzeit noch eine Zustimmung im Einzelfall erforderlich. Durch
Abstimmungen bereits während der Planungsphase konnte die Zustimmung schließlich mit dem
spezifisch gewählten Produkt und unter Hilfe des Herstellers durch die Baufirma erlangt werden.
Neben den Vorteilen der Dauerhaftigkeit wertet die Bordsteinlinienentwässerung das Bauwerk
weiter auf, da auf sichtbare Entwässerungsleitungen unterhalb der Fahrbahnplatte verzichtet werden
kann. Es wurde zudem auch auf Tropftüllen verzichtet, da auch diese Durchdringungen der
Abdichtungsebene mit den genannten Problemen darstellen würden.
Sorgfältige Planung bis ins Detail
Zur Unterstützung des filigranen Tragwerks wurde das Geländer als Konstruktion mit Acrylglasfüllung
vorgesehen, welche maximale Transparenz schafft und das Bogenfachwerk bestmöglich zur Geltung
bringt. Die Pfosten sind als schlanke Flachbleche mit Anzug vorgesehen. Die Vorderkante verläuft
senkrecht, während die Hinterkante die Neigung der Bögen aufgreift und somit auch einen
konstanten Abstand zur Bogenfläche gewährleistet.
Zur Ausleuchtung der Fahrbahn wurden zwei Einzelspots je Bogen vorgesehen, welche in den
Knotenbereichen angeordnet sind und damit die Geometrie weiter betonen. Neben diesen Spots zur
funktionalen Ausleuchtung sind entlang der Oberkante der Bögen LED Bänder angebracht, welche die
Bögen für die Verkehrsteilnehmer betonen.
Eine absolute Besonderheit stellt die Gestaltung der Untersicht des Bauwerks dar. Auch dieser Raum
wurde sorgfältig betrachtet und optimal gestaltet. Ein Maximum an Funktionalität wurde sowohl
durch statische Optimierung als auch die Verbesserung der Dauerhaftigkeit erreicht. So wurden die
Fertigteile als gevoutete Elemente vorgesehen, welche auf den Untergurten der Querträger bzw.
seitlichen Verlängerungen der Längsträgeruntergurte aufliegen. In Längsrichtung betrachtet wirkt die
Fahrbahnplatte wie ein gevouteter Durchlaufträger, bei welchem jeweils in Feldmitte Eigengewicht
gespart und die Widerstandsmomente an den Querträgern erhöht wurden. Zudem wird durch diese
Form der Verzicht auf Vogelabweisbleche auf den Untergurten möglich und die Dauerhaftigkeit
erhöht, da diese Stellen klassischerweise erste Korrosion aufweisen.
Die Planung des Bauwerks wurde bis in die Ausgestaltung der Details sorgfältig durchgeführt. So
wurden zum Beispiel die Ausrundungen der Knotenbereiche auf die Gesamterscheinung abgestimmt,
der Übergang des Längsträgers in den Beton der Widerlager detailliert ausgearbeitet und konstruktiv
so gestaltet, dass auch hier die hohe Dauerhaftigkeit gegeben ist. Erwähnenswert ist in diesem
Zusammenhang zum Beispiel auch das Abweisblech vor dem Eindringen der Bogenfußpunkte in die
Widerlager, die ein Abtropfen von Wasser an dieser Stelle erzwingen. Somit wird
Niederschlagswasser vor dem Bogenfußpunkt gezielt abgeleitet und kann nicht zu Feuchtestellen und
Schmutzfahnen an der Widerlageransicht führen.
Herstellung unter Verkehr – Beitrag zur Reduzierung staubedingter volkswirtschaftlicher Kosten aufgrund von Baustellen
Ein weiterer wesentlicher Planungsbestandteil ist die Berücksichtigung der verkehrlichen
Randbedingungen durch die BAB und somit die Planung eines Bauverfahrens, welches unter Verkehr
mit nur äußerst geringen Sperrungen auskommt. Hierfür eignet sich das geplante
Stahlverbundtragwerk in hervorragender Weise.
Die einzelnen Stahlschüsse werden im Werk gefertigt und auf die Baustelle geliefert. Dort wurden sie
auf einer seitlichen Montagefläche zusammengeschweißt und somit das Gerippe aus Längsträgern,
Bögen und Querträgern erstellt. Parallel hierzu können die Gründung und die aufgehenden
Widerlager hergestellt werden. Im Bereich der Widerlager sind verschiedene Betonierabschnitte
vorgesehen, um die Einspannung zu realisieren. Im ersten Betonierabschnitt werden Einbauteile
vorgesehen, mit welchen die Längsträger und Bögenenden verschlossert werden. Der Einfahrvorgang
erfolgte nachts mit Hilfe von Schwerlastwägen. Diese nehmen das Stahlgerippe mit Hilfstürmen in
Endhöhenlage auf und fahren es in der nächtlichen Sperrung in die Endlage. Dort werden die Enden
entsprechend mit den Einbauteilen verbunden und anschließend können die Schwerlastwägen
lastfrei gesetzt und wieder ausgefahren werden. Sie liegen jedoch schon außerhalb des
Lichtraumprofils, sodass diese Arbeiten unabhängig von der Sperrung erfolgen können. Anschließend
wurden die Einspannbereiche der Widerlager bewehrt und betoniert. Auf den Quer- und
Längsträgern des Überbaus wurden die Fertigteile aufgelegt und so konnte ohne zusätzliche Schalung
oder aufwendiges Gerüst die Herstellung der Fahrbahnplatte und abschließend der Brückenausbau
erfolgen.
Das komplexe Bauwerk konnte in einer Nettobauzeit von nur 13 Monaten erfolgreich realisiert
werden. Die Auswirkungen auf den Verkehr der BAB wurden so minimiert, dass auch die
staubedingten volkswirtschaftlichen Kosten reduziert werden konnten.
Laudatio
Die besondere Qualität der Bogenfachwerkbrücke am AK Fürth/Erlangen BW 380f offenbart sich in der Konsequenz ihrer Planung und Detailausführung. Durch die geschickte Verknüpfung von Bogen- und Fachwerkbrücke konnte den Anforderungen nach einer stützenfreien Überspannung von ca. 70 m ebenso Rechnung getragen werden wie einer möglichst geringen Bauhöhe. Den Einsatz moderner Berechnungsmethoden zur Optimierung des Tragwerks würdigte die Jury ebenso wie die gestalterische Details und Aspekte der Nachhaltigkeit.