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Inselhalle Lindau

Foto: Aldo Amoretti, Sanremo

Sonderpreis des BMWSB 2020

Text von Auer Weber Assoziierte

Es erstaunt nicht, dass die Nobelpreisträger dieser Welt immer wieder gerne nach Lindau kommen, um sich mit
Nachwuchswissenschaftlern ihrer Fachgebiete auszutauschen – bietet doch das idyllische Inselstädtchen im
Bodensee einen einzigartigen Rahmen für ihre alljährlichen Tagungen. Diese renommierte Konferenz ist sicherlich
die prominenteste, die das Flair der Lindauer Insel schätzt. Da die Inselhalle in die Jahre gekommen war und
keine zeitgemäßen Tagungsbedingungen mehr bot, wurde ein Architekturwettbewerb zur Sanierung und
Erweiterung des Tagungshauses ausgelobt, den Auer Weber für sich entscheiden konnten.


Städtebaulicher Ansatz
Die Aufgabenstellung bot die einzigartige Chance, die Halle neu auszurichten und den Eingang von der beengten
Situation an der Zwanzigerstraße zu verlagern, hin zu einem neuen Vorplatz, der sich auf der Hallenostseite
zwischen Straße und Seepromenade erstreckt. Auf der gegenüberliegenden Platzseite wurde das Inselhallen-
Parkhaus geplant (2017 fertiggestellt), das, ebenso wie die integrierte Feuerwache und die Bootsanliegerräume,
Teil der Wettbewerbsaufgabe war. Der neu geschaffene Platz bildet das Entrée der neuen Inselhalle und zugleich
den nördlichen Auftakt einer Abfolge von Plätzen, die durch die Lindauer Altstadt nach Süden und bis zum
historischen Hafen führt.
 

Foto: Aldo Amoretti, Sanremo


Architektonisches Konzept
Wettbewerbsaufgabe war es, den bestehenden Saal-Kern zu erhalten und ihn mit neuen Nutzungen zu ergänzen.
Unser Konzept sah vor, den Saal durch seine prägnante Dachform, die einem Pyramidenstumpf ähnelt, außen klar
ablesbar zu machen, ihm aber in der Dachaufsicht einen „kleinen Bruder“ hinzuzufügen, der das neue Foyer
akzentuiert. Alle umgebenden Gebäudeteile wurden mittels polygonal gefalteter Dachflächen an diese beiden
Hochpunkte angebunden, so dass im Ergebnis eine skulpturale Gesamtfigur entsteht, die die Inselhalle als
architektonische Einheit im Stadtbild präsentiert. Klar definierte Einschnitte und Einstülpungen im
Fassadenbereich betonen die wesentlichen Gebäudeorientierungen und Zugänge, insbesondere den neuen
Haupteingang, den man vom Vorplatz aus betritt.


Dach und Fassade – Materialität
Eine einheitliche metallische Hülle unterstreicht die skulpturale Qualität des Baukörpers und die
Zusammengehörigkeit der beiden Stadtbausteine: Inselhalle und Parkhaus. Die Fassaden beider Gebäude sind
mit beschichteten Aluminiumblechen bzw. -bahnen bekleidet, das Dach der Inselhalle damit eingedeckt. Der
kupferfarbene Ton der Hülle gibt dem neuen Haus ein edles, warmes Erscheinungsbild und bindet es gleichzeitig
in das Ensemble der Lindauer Altstadt mit seiner von Ziegeltönen geprägten Dachlandschaft ein. Die gekanteten
Aluminiumprofiltafeln überziehen die Fassadenflächen mit einer unregelmäßigen vertikalen Lineatur, die den
Oberflächen ein homogenes aber zugleich lebendiges Erscheinungsbild verleiht. Integrierte Verglasungen
schließen mit dem Körper flächig ab und selbst die Vogelschutzbedruckung der Glasflächen bindet sich in die
vertikale Struktur der Profiltafeln ein. Im Kontrast zum skulpturalen Hallenbaukörper sind Rampen und
Treppenaufgänge sowie der Sockel der Seeterrasse in Sichtbeton ausgeführt und formulieren so den Übergang
zu den Bodenbelägen im Außenbereich sowie zu den Sockelzonen des Parkhauses.


Erweiterung der Inselhalle – Innenraumkonzept
Die Sanierung und Erweiterung wurde auch dafür genutzt, Funktionen und innere Erschließungen grundlegend
neu zu organisieren.
Eine neue großzügige Foyerfläche, über die der Hauptzugang zum großen Saal erfolgt, bildet den Schwerpunkt
der Inselhallenerweiterung. Die neuen Konferenzräume, die zum großen Teil ans Foyer angebunden sind,
ermöglichen durch mobile Wände unterschiedliche Raumkonstellationen und somit vielzählige Nutzungsvarianten.
Auch im Sockelgeschoss ist diese Flexibilität gegeben: die dort über ein Subfoyer angeschlossene
Veranstaltungszone kann als Konferenzbereich mit zwei Räumen, als zusammenhängender Bankettbereich mit
knapp 600 Sitzplätzen oder als gro.zügiger Bar- und Lounge-Bereich genutzt werden. Ein vorgelagerter,
terrassierter Lichthof versorgt den Innenraum gro.zügig mit Tageslicht und eröffnet den Blick zur Seepromenade.
Noch stärker ist der Außenbezug in den Foyerflächen des Erdgeschosses: dort ist das Seepanorama dank
vollflächiger Verglasungen bis tief ins Gebäudeinnere erlebbar. Eine besondere Funktion nimmt das Seefoyer ein,
das dem großen Saal nach Norden vorgelagert ist. Es erschließt ergänzend den großen Saal sowie das neue
Inselhallenrestaurant, kann aber auch als eigenständiger Raum für spezielle Anlässe genutzt werden. Über große
Fassadenöffnungen und eine repräsentative Freitreppe bindet es zudem direkt die Seepromenade an.
 

Foto: Aldo Amoretti, Sanremo


Sanierung Saal und Nebenflächen
Da der bestehende große Saal in seiner ursprünglichen gestalterischen und funktionalen Qualität erhalten werden sollte, beschränkten sich die baulichen Eingriffe hier im Wesentlichen darauf, ihn an die neuen Zugangssituationen anzupassen sowie die Beleuchtung und die Saaltechnik zu optimieren.
Da der bestehende große Saal in seiner ursprünglichen gestalterischen und funktionalen Qualität erhalten werden sollte, beschränkten sich die baulichen Eingriffe im Wesentlichen darauf, ihn an die neuen Zugangssituationen anzupassen sowie die Beleuchtung und die Saaltechnik zu optimieren. Die bestehenden Oberflächen wurden soweit erfordert überarbeitet und neue Zugangstüren in die bestehende Vertäfelung eingefügt. Die Außenfassade zur Seepromenade wurde komplett entfernt und durch eine neue Holz-Glaskonstruktion als Innenfassade ersetzt.
Zuletzt erwies sich auch die Erneuerung von Teilen der Saaldecke sowie der Mobilwandanlage als technisch notwendig.
Auch die erhaltenen Kellerräumlichkeiten wurden grundlegend saniert, die ehemalige Tiefgarage zu Lager- und
Technikflächen umgenutzt. Die energetische Sanierung des Hauses betraf primär das Saaldach und die
bestehenden Kelleraußenwände. Alle weiteren Geb.udehüllfl.chen wurden mit den Neubauteilen ersetzt und
somit energetisch optimiert.


Konstruktion
Mit Ausnahme der Dachkonstruktion der Inselhalle wurden alle Neubaumaßnahmen in massiver
Stahlbetonbauweise ausgeführt. Die Stahlfachwerkträger überspannen die Dachkonstruktion im Bereich des
Hauptfoyers stützenfrei. Die Stahlwalzprofile der übrigen Dachbereiche zeichnen die oberseitig gefaltete
Dachform nach, wohingegen Flachdecken in Ortbetonbauweise die Geschoßdecken bilden.

Innenräume – Materialität
Im Bereich des Windfangs und Tagungsbüros zieht sich die Materialität der Blechfassade ins Innere hinein und
führt somit den Besucher in das Haus.
Heller Terrazzoboden sowie weiße Abhangdecken sorgen sowohl in den Foyerflächen und den angrenzenden
Konferenzbereichen als auch im Restaurant für eine helle Grundatmosphäre.
Ein „Ring“ um den bestehenden Saal bietet Raum für Sonderfunktionen wie Bar, Sanitärräume und
Künstlergarderoben. Diese Arrondierung des Saals hebt sich durch ihre dunkle, fast schwarz matte Oberfläche
stark von der Grundhaltung der neuen Bereiche ab. Ihre Innenflächen wiederum sind mit einem metallischen
Anstrich versehen, der die Materialität der Fassade spiegelt.
Der bestehende Saal durchbricht Richtung Foyer und Seefoyer diese mattschwarze Umfassung:
Furnieroberflächen in heller Eiche und gro.zügige holzgerahmte Verglasungen tragen die Materialität des
bestehenden Saales ins Foyer und kennzeichnen so die Saalzugänge. Der Saal selbst bleibt hingegen in seiner
relativ dunklen, hölzernen Materialität und seiner feierlichen Ausstrahlung erhalten; er bildet so den bewusst
gesetzten Kontrast zu den lichtdurchfluteten Foyer- und Konferenzflächen. Die vormals hell-dunkel gefasste
Saaldecke wird farblich neugefasst und verstärkt so diesen Effekt zusätzlich. Die einheitlich dunkle Farbgebung
bietet einen ruhigen Hintergrund für die neuen Ringleuchten und lässt abgehängte Saaltechnik optisch
verschwinden. Auch Bühnenvorh.nge, Verdunklungsanlagen und Saalbestuhlung integrieren sich mit ihren
dunklen Textiloberflächen in den farblichen Zweiklang des neuen Saales, der an das Innenleben eines
Streichinstrumentes erinnert.
In der Gesamtbetrachtung der Halle wird deutlich: Das bewusste Beschränken auf die Nichtfarben Schwarz,
Weiß und Grau sowie zwei ergänzende Materialoberflächen – das von den Altstadtdächern abgeleitete Kupfer
und die vom Saal übernommene Eiche – macht die neue Inselhalle als architektonische Einheit erlebbar. Diese
Farbtöne kamen unter anderem auch beim Schleifen des Terrazzobodens, der mit Bodenseekies gefertigt wurde,
zufällig zum Vorschein; sie bestätigten so das bereits vorher festgelegte Farbkonzept.


Signaletik
Die integrierte Signaletik trägt maßgeblich zur Wahrnehmung des Gebäudes bei. Das Vorarlberger Büro
Sägenvier gestaltete sie übergreifend für das Ensemble aus Inselhalle und Parkhaus. Kennzeichnend sind das
spielerische Umgang mit der Aufgabe und die respektvolle Einbindung in das architektonische Konzept, wie
beispielsweise die von der Dachgeometrie abgeleitete, neu entwickelte Typographie. Besonders gewürdigt
werden hierbei die bislang in Lindau vertretenen Nobelpreisträger, die in den schrägen Laibungsflächen des
großen Foyer-Oberlichtes verewigt sind. Die neue Inselhalle stellt sicher, dass diese Liste fortgeschrieben
werden kann. Die Flächen des Oberlichtes jedenfalls bieten hier Raum für viele weitere Jahrzehnte.

Fertigstellung
2017
Architekt
Auer Weber Assoziierte GmbH, München
Ingenieur
Boll und Partner, Stuttgart
Bauherr
Stadt Lindau