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S-Bahnhaltestelle Elbbrücken

Foto: sbp | Mathias Nier

Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2020

Preisträger Hochbau


Erläuterungsbericht von schlaich bergermann partner zur Einreichung beim
Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2020

Um den neu entstehenden Stadtteil an den öffentlichen Nahverkehr anzuschließen wurde 2018 bereits die U-Bahn-Linie U4 bis zu den Elbbrücken verlängert und im vergangenen Jahr unmittelbar daneben für die S-Bahn-Linien S3/S31 ein neuer Haltepunkt realisiert. Damit stellt die Doppelhaltepunkt für die südlich der Elbe lebenden Pendler eine attraktive Umsteigemöglichkeit auf dem Weg ins Stadtzentrum dar, die dadurch auch den Hauptbahnhof entlastet. Seit der Inbetriebnahme der S-Bahnhaltestation im Dezember 2019 können die Fahrgäste nun wettergeschützt von der S- in die U-Bahn umsteigen. Sowohl das Dach der U-Bahnstation, das Dach der S-Bahnstation und die Verbindungsbrücke wurden gemeinsam von schlaich bergermann partner und den Architekten von Gerkan, Marg und Partner entworfen und geplant. Daher wirkt das Ensemble mit seinen zwei Dachkonstruktion wie aus einem Guss, ohne sich dabei gegenseitig zu imitieren.


Foto: sbp | Mathias Nier


 

Tragwerk

Die Geometrie der Stahl-Glas-Konstruktion wurde schon im damaligen Wettbewerb für den U-Bahnhof als moderne Interpretation der in direkter Nachbarschaft befindlichen denkmalgeschützen Elbbrücken verstanden, die den Ort gestalterisch und nachhaltig prägen. Um die markante Stahlstruktur auch von weithin erlebbar zu gestalten wurde die Verglasung nach innen abgehängt, sodass beide Dächer optisch auf die Elbbrücken eingehen. An den Stirnseiten kragen beide Dächer spitz aus und bilden so einen markanten und dynamischen Abschluss.

 

Das Dachtragwerk stellt in seiner Form eine einfach gekrümmte Stabschale dar. Diese wurde durch acht vollständige Stahlbögen sowie 16 stählerne Teilbögen realisiert, die jeweils im Abstand von 8 m zueinander verschwenkt angeordnet sind. Die maximalen Grundflächenabmessungen betragen ca. 88 m Å~ 26 m. Im Querschnitt entspricht das System einem beidseitig gelenkig gelagerten Korbbogen mit einem Stich von 11 m. Die Randabschlüsse der auskragenden Bereiche an den spitz zulaufenden Stirnseiten werden als torsionssteife Randträger ausgebildet.

Aufgrund der korbbogenartigen Geometrie im Querschnitt weist die Struktur neben Normalkraft auch einen nicht zu vernachlässigenden Biegeanteil auf. Aus gestalterischen und wirtschaftlichen Gründen wird die Voutung der Bogenträger an die Beanspruchung angepasst.

Die Fußpunkte der Dach- und Randträger sind mit einer längsverschieblichen Bolzenverbindung mit Radial-Gelenk-Lagern an die Auflagerkonsolen angeschlossen. Dabei lagert die Konstruktion direkt auf der massiven Unterkonstruktion. Dank des längsverschieblichen Bolzenverbindung ist eine nahezu zwängungsfreie Ausdehnungsmöglichkeit bedingt durch Temperaturänderung möglich. Die Festpunkte des Daches befinden sich mittig in Achse 06 und 07 (siehe Isometrie der Bogenträger).

Die Glasscheiben zur Eindeckung der Haltestelle werden allseitig auf Pfetten in Längsrichtung und Quersprossen gelagert. Die Längspfetten verlaufen innerhalb des Haupttragwerks und sind über Pfettenhalter in den Kreuzungspunkten der Hauptstruktur an die äußeren Korbbögen angeschlossen. Zwischen den Dachträgern und der Glaseindeckung ist zusätzlich für die Montage und später auch für die Reinigung ein ausreichender Zwischenraum eingeplant.

Die Geometrie der einzelnen Dachträger wiederholt sich entlang des Daches. Die Flanschbleche der gekrümmten Hauptträger liegen in einer abwickelbaren, zylindrischen Fläche. Diese zylindrische Fläche wird durch eine Korbbogenkonstruktion aufgespannt.
Aufgrund der Geometrieentwicklung konnten alle Flanschbleche aus Flachstählen durch einfache Krümmung hergestellt werden. Die gering verwundenen Stegbleche im oberen Bereich konnten ebenfalls aus ebenen Blechen hergestellt werden. Im Bereich der starken Krümmung wurden doppeltge krümmte Bleche verwendet, im unteren Bereich sind die Bleche hingegen eben.

Laudatio

Transparent und luftig zeigt sich die neue Landmarke der Umsteigehaltepunktes am Übergang zwischen Elbbrücken und der wachsenden Stadt Hamburg. Es ist dem Entwurf abzulesen, dass er interdisziplinär und gleichberechtigt zwischen den Fachplanern entwickelt wurde. Die Architektur nimmt das Fachwerk der nahen Eisenbahnbrücken auf und interpretiert es neu in einem räumlichen Stabwerk, dessen veränderliche Trägerhöhen dem Betrachter die Beanspruchungen sichtbar machen. Doppelt gebogene Träger und höhengleichen Anschlüsse führen zu einem schalenartigen Trägerrost. Zwangsbeanspruchungen z. B. aus Temperatur werden durch geschickte Auswahl der Lagerungsbedingungen vermieden.

Das neue Tor zu Hamburg überzeugt die Jury mit seiner Entwurfsqualität, die die Effizienz des Stahlbaus an prominenter Stelle der Öffentlichkeit präsentiert. Die Durchbildung der innenliegenden Hülle dokumentiert einen vorausschauenden Umgang für Montage, Unterhalt und Instandhaltung. Rundum gelungen und daher Preisträger „Hochbau“ im Jahre 2020.

Fertigstellung
2019

Ingenieur
schlaich bergermann partner, Stuttgart

Architekt
gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner, Hamburg

Bauherr
DB Station&Service AG, Berlin