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Stuttgart Markthalle - Floating Garden

Abb.: Manh Hoan Dao

Förderpreis des Deutschen Stahlbaues 2020

1. Preis

Erläuterungsbericht von Manh Hoan Dao, Leon Kleber und Lass Shamal zur Einreichung beim
Förderpreis des Deutschen Stahlbaues 2020

Aufgabestellung:

Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts werden Lebensmittel zunehmend in Super- und Lebensmittelmärkten oder Discountern gekauft. Zugleich schwand die Bedeutung der bis dahin noch weit verbreiteten Märkte und Markthallen. In Großstädten und Ballungsräumen ist in letzter Zeit jedoch eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten: Neben der steigenden Beliebtheit von Bio-Produkten achten viele Menschen auch auf die Herkunft der Lebensmittel. Die gewünschte Regionalität garantiert dabei zum einen frischere und zum optimalen Reifezeitpunkt geerntete Produkte, zum anderen wird der Verbrauch der für den Transport notwendigen Ressourcen auf ein Mindestmaß reduziert. So entstand die bis heute unbefriedigende Situation, dass es in der Stadt trotz steigenden Bedarfs keinen Ort für regionale und in Direktvermarktung gehandelte Lebensmittel gibt. Um diesen Mangel zu beheben, soll deshalb auf der Fläche eines bestehenden Verkehrsübungsplatzes im Stuttgarter Westen als fiktivem Bauplatz die neue Markthalle West entstehen.


Foto: Manh Hoan Dao

Eine großräumige, konstruktive Grundstruktur soll die Möglichkeit zur Mischung von Verkauf und Gastronomie bieten. Für die Verkaufsfläche stehen ca. 600 bis 800qm zur Verfügung. Die flexibel zu nutzende Halle kann von regionalen Produzenten mit dauerhaft betriebenen, kleinen bis mittleren Ständen genutzt werden. Neben dem Warenangebot soll es ein in die Halle integriertes Marktcafé sowie Personalräume, Verwaltung und Nebenräume geben. Durch Veränderbarkeit möchte man die Halle auch für Veranstaltungen flexibel nutzen können.


Markthalle-Floating Garden Lösung:

Das städtebauliche Konzept

Für den Entwurf einer Markthalle im Stuttgarter Westen am Diakonissenplatz waren zum einen die gegebene städtebauliche Situation, zum anderen das geforderte Tragwerkskonzept für die äußere Erscheinung maßgebend und prägend. Dem besonderen Charakteristikum des Diakonissenplatzes, seiner üppigen Begrünung entsprechend, wird mittels des filigranen, transparenten Stahlskeletts und der Platzierung in einem baumarmen Bereich versucht, das Gebäude hinter den vorhandenen Bäumen zu verbergen, Blickachsen und den natürlichen Charakter des Platzes zu erhalten. Gleichzeitig wird auf die Bestandbebauung insofern reagiert, als das hier die Bauflucht der Rosenberg- sowie der Silberburgstraße aufgenommen werden. Dadurch kann eine, auch durch den im Osten an das Baugrundstück grenzenden verkehrsberuhigten Bereich, großzügig dimensionierte Grün- und Ruhezone, angrenzend an das Dilmann-Gymnasium, geschaffen werden. Gleichzeitig entsteht im Westen eine Anlieferungszone hin zur Silberburgstraße.

Bio-Markthalle Konzept:

Durch eine vertikale Begrünung, einem sogenannten Hydrokultur-System, schaffen wir eine umweltfreundliche, ressourcenschonende Ansiedlung von Nutzpflanzen und lokale Eigenproduktion von verschiedensten Früchten. Das Hydrokultur-System befindet sich im Obergeschoss, leicht hinter die Fassade versetz, mittig an allen vier Gebäudeseiten und wird durch ein handelsübliches Rohrkupplungsgerüst in acht Ebenen gegliedert und getragen. Die Belüftung sowie Temperierung der Pflanzen erfolgt bei Bedarf über vollautomatisch gesteuerte Lamellenfenster. Zur Bewässerung dient Regenwasser welches in einer Zisterne gespeichert wird. Sogenannte OPV-Lamellen (Organic Photovoltaic) versorgen die Markthalle mit umweltfreundlichem Strom. Damit ergibt sich eine nahezu autarke, kostenneutrale Versorgung der Pflanzen mit Wasser und Energie.


Abb.: Lass Shamal

Modular Konzept:

Das Haupttragwerk wurde als modulare Konstruktion entworfen und ausschließlich auf der Basis eines zweigeschossigen Moduls geplant, welches beliebig oft und in alle Richtungen dupliziert werden kann und so eine hohe Variabilität in der Formgebung und Anpassungsmöglichkeit auch an Bauorte mit andersartiger Struktur und Raumangebot ermöglicht. Zudem ist durch die Verwendung sich wiederholenden Elemente bzw. Module mit hohem Vorfertigungsgrad eine schnelle und vergleichsweise kostengünstige Montagegewährleistet.

Fazit

Grundlage aller Überlegungen und Planungen war unsere Absicht, durch den bewussten Einsatz von Materialien und konstruktiv einfachen Verbindungs- und Fügungselementen ein rundum ressourcenschonendes sowie energiesparendes Gebäude zu entwickeln. Dies spiegelt sich zum Einen in dem an der Außenseite sichtbaren filigranen Stahlskelett, zum Anderen im Innenraum durch beispielsweise das Hydrokultur-System oder den recycelten See-Containern wider.

Wir hoffen mit unserem Entwurf eine architektonisch ansprechende und den Frage- bzw. Problemstellungen unserer Tage gerecht werdende Lösung gefunden zu haben.

Laudatio der Jury

In herausragender Art und Weise entwickeln die Verfasser das Konzept einer innovativen Markthalle, welche sowohl die gesellschaftlich-sozialen als auch zukünftige Anforderungen an energie- und ressourcensparendes Bauen nachhaltig adressiert. Selbstverständlich und leicht erfolgt die Platzierung des zweigeschossigen, quadratischen Baukörpers mitten im urbanen Stadtraum des Stuttgarter Westens. Zugänglichkeit und Erreichbarkeit und ebenso das Aufzeigen nachhaltiger Lebensmittelproduktion ist ein Angebot an die Stadtgesellschaft: Die Markthalle ist nicht nur Ort des Handels und der Kultur, sondern beherbergt im
1. Obergeschoss den geschlossenen Kreislauf einer lokalen Lebensmittelproduktion. Das vorgeschlagene Hydrokultur-System nutzt eine natürliche Belichtung und Belüftung sowie das gesammelte Regenwasser für die Bewässerung.  Eine PV-Anlage auf dem Dach generiert Energie für die Versorgung der des Hydrokultur-Systems. Die angebauten Produkte kommen so auf kurzem Wege zum Bürger, dem die Architektur eine einladende Geste entgegenstreckt: Offenheit und Transparenz. Ermöglicht wird dies durch die kluge Ausnutzung des Materials Stahl, durch ein virtuoses Kombinieren der Halbzeuge zu einem effizienten Baukastensystem. Jedes Tragglied ist material- und ressourcenoptimiert ausgeführt, die Baukonstruktion berücksichtigt Aspekte leichter Montage und Wiederverwendbarkeit. Durch die Modularität des Systems sind zudem vielerlei Anwendungsbeispiele und Grundrisskonfigurationen möglich. Neben dieser hohen Flexibilität kann der Gestaltung des Stahlbaus sowie der bekleidenden Bauteile eine insgesamt sehr hohe gestalterische Qualität attestiert werden.

Die Überdachung des zentralen Platzes erfolgt mit einer leichten und transluzenten Membrankonstruktion, welche sich einfach am gewählten Stahl-Skelettbau verankern lässt.

Sie überspannt den zentralen Ort, der als städtischer Kulturort genutzt werden kann. Diese soziale Multifunktionalität ist herauszuheben. Entsprechend reagiert die Fassade im Erdgeschoss, bei der sich die Flügel völlig öffnen lassen, um so auch den Außenraum in die Nutzung zu integrieren.

Mit Ihrer klugen Positionierung, der breiten funktionalen Mischung, der hohen architektonischen Qualität und dem exzellent ausgeführten Stahlbau führt die Arbeit vorbildlich auf, wie eine leichte und nachhaltige Architektur mit Stahl im Sinne der zirkulären Wertschöpfung der Zukunft aussehen kann.

Hochschule für Technik Stuttgart

Semesterarbeit

Manh Hoan Dao
Leon Kleber
Lass Shamal

betreut durch
Prof. Sebastian Jehle
Prof. Volkmar Bleicher
Dr.-Ing. Robert Brixner